In einem früheren Beitrag wurde auf die hohe Zahl traumatisierter Flüchtlinge hingewiesen, die auf professionelle Hilfe angewiesen sind, sie aber nur in den seltensten Fällen bekommen. Nun plant das zuständige Bundesinnenministerium (BMI) offenbar eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, das nicht etwa eine verbesserte Hilfe für psychisch kranke Flüchtlinge bringen soll, sondern nach Ansicht der BundesPsychotherapeutenKammer ( BPtK) auf inhumane und lebensgefährdende Regelungen setzt.

Traumatisierte Flüchtlinge denken häufig über Selbstmord nach

In einer Presseerklärung der BPtK vom 23. November 2015 heißt es dazu: „Die Annahme, dass posttraumatische Belastungsstörungen keine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben darstellen, ist fachlich falsch“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz.  „Flüchtlinge, die an dieser psychischen Störung erkranken, sind oft suizidal. 40 Prozent von ihnen hatten bereits Pläne, sich das Leben zu nehmen oder haben sogar schon versucht, sich zu töten. Es ist deshalb unverantwortlich, wenn das Bundesinnenministerium (BMI) plant, Flüchtlinge trotz vorliegender posttraumatischer Belastungsstörung in der Regel abzuschieben.“

Laut Munz ist es auch unverantwortlich, Flüchtlinge mit schweren Traumata einfach durch Tabletten ruhig zu stellen. Unter Fachleuten bestehe Einigkeit darüber, dass nach der sog. S3-Leitlinie eine posttraumatische Belastungsstörung psychotherapeutisch zu behandeln sei. Und dies treffe auf eine große Zahl von Flüchtlingen zu, die Opfer von Vergewaltigungen, Krieg, Vertreibung und Folter geworden seien. Nicht wenige von ihnen hätten lebensbedrohliche Ereignisse wie Beschuss mit Handfeuerwaffen und Granaten, Hunger und Durst, körperliche Folter, Todesdrohungen, Scheinexekutionen u.a.m. erlebt. (Vgl. dazu auch den sehr informativen Artikel „Traumatisierte Flüchtlinge: Psychische Probleme bleiben meist unerkannt“ von Waltraut Wirtgen im Ärzteblatt. Dieser Artikel erschien bereits im Jahre 2009, als die Zahl der Flüchtlinge noch erheblich niedriger war als heute.)

Alternativen?

Unabhängig von der Kostenübernahme für eine professionelle Behandlung stellt sich die Frage, ob es bei der großen Anzahl traumatisierter Flüchtlinge überhaupt genügend Psychotherapeuten (und Dolmetscher!) gibt. Unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß langen Behandlungsdauern wird man dies vermutlich verneinen müssen. Daher sind Vorschläge willkommen, die sich sozusagen auf eine Erste Hilfe bei Flüchtlings-Traumata beziehen, ohne eine psychotherapeutische Behandlung ersetzen zu wollen oder können.  Über ein Beispiel hat  Der Spiegel  jüngst aus Afghanistan berichtet, wo psychische Erkrankungen fast ausschließlich mit Medikamenten behandelt bzw. ruhig gestellt wurden. Dort hat die Organisation IPSO, die von einer Psychoanalytikerin gegründet wurde, ein Netz von 280 Beratern aufgebaut, die inzwischen 50.000 Beratungsstunden geleistet und sogar eine Online-Videosprechstunde eingeführt haben. Zur Zeit wird geprüft, ob das Modell auch in Deutschland sinnvoll ist – mit Beratern, die Arabisch oder Farsi sprechen.

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Auf die Zielgruppe traumatisierter Kinder hat sich Susanne Stein konzentriert und ein Trauma-Bilderbuch veröffentlicht. Die Idee dazu sei ihr bei Gesprächen mit Flüchtlingen gekommen, weil „die Eltern mit dem Phänomen der mitgebrachten Ängste, der Traumatisierungen zum Teil überfordert waren. Auch weil sie das Phänomen nicht kannten. Ich wollte diese Familien etwas entlasten. Wenn Eltern mit ihren Kindern nicht zurechtkommen, sind sie traurig und sie schämen sich auch irgendwann, weil sie nicht mal mehr die Kinder erziehen können. Und die Kinder schämen sich, weil sie es ihren Eltern nicht recht machen können. Da die Betroffenen nicht alle therapeutische Unterstützung bekommen, wollte ich mit meinen Mitteln etwas tun.“ (Interview mit dem NDR)