Fördermittel werden nicht abgerufen

Das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung hat am 20.02.2018 die Ergebnisse einer Untersuchung veröffentlicht, in der es um die Inanspruchnahme von Fördermitteln durch Initiativen der Flüchtlingshilfe geht. Die Autoren kommen darin zu dem Schluss, dass kleinere Initiativgruppen sich vor allem über private Spenden finanzieren, vorhandene Fördermittel aber häufig nicht in Anspruch nehmen. Diese öffentlichen Mittel würden vor allem bei etablierten Trägern landen. Eine der wichtigsten Ursachen dafür ist nach den Ergebnissen der Studie, „dass die Gruppen die Anforderungen der Fördermittelgeber nicht erfüllen können, etwa in Bezug auf die Gründung eines Vereins.“ 

Und in Greven?

Oder nicht erfüllen wollen – müsste man mit Blick auf die Situation in Greven ergänzen. Hier treffen sich zwar die katholische und die evangelische Flüchtlingshilfe sowie der Reckenfelder Bürgerverein ab und zu in einer sogenannten Steuerungsgruppe mit Vertretern der Stadt Greven, sie sind aber weit davon entfernt, ein gemeinsames, schlagkräftiges Instrument der Flüchtlingshilfe aufbauen zu wollen. Vielmehr hat sich der Eindruck verfestigt, dass man sich nicht so gerne in die Karten schauen lässt und nach wie vor am liebsten sein eigenes „Süppchen“ kocht.

„Die“ Grevener Flüchtlingshilfe gibt es jedenfalls immer noch nicht (auch wenn sich die zur katholischen Pfarre gehörende Gruppe gerne so nennt), und es existiert nicht einmal ein gemeinsames Spendenkonto für die Unterstützung von Flüchtlingen, das für potentielle Spender transparent geführt werden würde.  Von einem gemeinsamen Programm, einem gemeinsamen Internetauftritt und einer gemeinsamen Organisationsstruktur ganz zu schweigen. Insbesondere die beteiligten kirchlichen Gruppen müssen sich fragen lassen, ob ihre mangelnde Zusammenarbeit in der Flüchtlingshilfe noch zeitgemäß ist.

Als Folge davon haben die Flüchtlingsinitiativen nicht nur wenig Einfluss auf den Umgang der Stadt Greven und anderer Behörden mit Flüchtlingen.  Sie schwächen sich und die Durchschlagskraft ihrer Arbeit auch noch dadurch, dass sie Spendengelder für solche Zwecke ausgeben, für die sie öffentliche Gelder hätten in Anspruch nehmen können. 

So kann die vorliegende Studie für die Flüchtlingshilfen in Greven vielleicht ein Anlass sein, über ihre getrennte Vorgehensweisen noch einmal nachzudenken. Zu diesem Zweck sei hier die Presseerklärung des Berliner Institutes für Integrations- und Migrationsforschung zitiert:

Geld für die Flüchtlingshilfe kommt bei vielen Initiativen nicht an

Obwohl Flüchtlingsinitiativen in Deutschland oft zusätzliche Finanzmittel benötigen, nimmt mehr als ein Drittel (37 %) von ihnen keine Fördermittel in Anspruch. Das liegt vor allem daran, dass die Gruppen die Anforderungen der Fördermittelgeber nicht erfüllen können, etwa in Bezug auf die Gründung eines Vereins. An fehlenden Fördermittel-Programmen oder zu wenig Geld liegt es hingegen nicht.

Berlin, 20. Februar 2018. Seit dem starken Zuzug von Geflüchteten nach Deutschland in den Jahren 2015 und 2016 haben nicht nur viele freiwillig Engagierte Flüchtlingshilfe-Initiativen gegründet, es sind auch eine Menge staatliche Förderprogramme ins Leben gerufen worden, um ihre Arbeit zu unterstützen. Im Rahmen der Studie „Fördermittel in der Flüchtlingshilfe“ hat das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung jetzt festgestellt, dass viele Initiativen keinen Zugang zu den Fördermitteln haben. So nehmen 37 Prozent der untersuchten Initiativen überhaupt keine Fördermittel in Anspruch, obwohl knapp 90 Prozent angeben, Finanzmittel zu benötigen.

Ein wesentlicher Grund ist aus Sicht der Initiativen, dass sie Bedingungen für die Antragstellung nicht erfüllen (58%) und folglich keine Aussicht auf Erfolg sehen (46 %). So geben die Behörden etwa vor, dass Projekte zum Förderzeitpunkt noch nicht begonnen haben. Wiederkehrende Ausgaben werden nur selten gefördert, oder der Staat fordert von den Initiativen eine Vereinsform, die den Engagierten oft nicht als sinnvoll erscheint. Knapp 38 Prozent gaben an, unabhängig bleiben zu wollen. Ein Motiv dafür ist oft, dass Engagierte befürchten, als Lückenfüller für eigentlich staatliche Aufgaben instrumentalisiert zu werden. Als weitere Herausforderungen bei der Antragstellung nannten die Befragten den zu hohen zeitlichen Aufwand (70 %), sowie fehlenden Zugang zu Informationen (48 %).

Einer der Autoren der Studie, Serhat Karakayali vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung, erläutert: „Bemerkenswert ist, dass die öffentlichen Mittel vor allem bei den schon etablierten Trägern, also bestehenden Vereinen und Verbänden, ankommen. Diese oft größeren Organisationen haben Erfahrung im Beantragen und Einwerben von solchen Geldern. Die vielen kleinen Willkommensinitiativen dagegen finanzieren sich hauptsächlich durch private Spenden. Es ist bedauerlich, wenn gerade die spontan entstandenen, informell organisierten Initiativen nicht von der Förderung durch die öffentliche Hand profitieren. Denn vor allem diese Initiativen waren es, die im Angesicht der Überforderung staatlicher Strukturen wesentliche Aufgaben der Versorgung, Betreuung und schließlich Integration der Flüchtlinge geleistet haben.“

Wie Fördermittel besser verteilt werden können
Die Studie zeigt, dass kleine Initiativen ihre Kosten vor allem durch private Spenden abdecken (57 %). Obwohl die Spendenbereitschaft weiterhin hoch ist, rechnen viele Initiativen damit, dass diese in Zukunft sinken und damit die Finanzierung ihrer Ausgaben erschweren wird. Kosten fallen unter anderem für praktische Hilfen wie Fahrtkosten, direkte Unterstützungsleistungen für die Geflüchteten (17 %), für Unterricht (17 %) und gemeinschaftliche Aktivitäten (16 %) an.

Damit Fördermittel besser ankommen, schlagen die Autoren der Studie folgende Lösungsansätze vor:

  • lokale Bedarfe besser zu identifizieren,
  • die Unabhängigkeit anzuerkennen und geringere Vorgaben für die Vergabe von Fördermitteln anzusetzen,
  • für die Förderung geringerer Beträge weniger bürokratische Verfahren zu wählen,
  • die Verfahren insgesamt zu vereinfachen
  • und Fördermittel auch für bereits laufende Aktivitäten bereitzustellen.

Staatliche Systeme waren zeitweise überfordert
„Es war von entscheidender Bedeutung, dass die engagierten Bürger in Zeiten der Überforderung unserer staatlichen Systeme spontan eingesprungen sind und unterstützt haben. Wer besonders schnell geholfen hat, wird durch das aktuelle Fördermittel-System aber eher bestraft, weil Initiativen erst Anträge hätten schreiben und Vereine gründen müssen, bevor sie anfangen, um Mittel zu erhalten. Dies müssen die staatlichen Stellen dringend ändern“, fordert Alexander Koop, Experte für Zivilgesellschaft bei der Bertelsmann Stiftung. Zudem würden laut der Studie bessere Informations- und Unterstützungsangebote helfen, beispielsweise mit Freiwilligenagenturen – damit die Mittel dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.
„Für die Integration der Geflüchteten sind die Initiativen der freiwillig Engagierten unentbehrlich. Für ihre Arbeit brauchen sie aber auch finanzielle Unterstützung vom Staat. Fördernde Einrichtungen sollten daher ihre Programme ausbauen und anpassen, um diese wichtige Arbeit weiter zu unterstützen“, sagt Koop weiter.

Ratgeber Gesundheit kurdisch

Die gesamte Untersuchung können Sie

hier

herunterladen.