Großes Engagement
Wie in vielen anderen Kommunen gibt es auch in Greven eine Vielzahl von ehrenamtlichen Helfern, Vereinen, Glaubensgemeinschaften und caritativen Organisationen, die sich auf die eine oder andere Art für Flüchtlinge engagieren. Angefangen von Geld- und Sachspenden, Sprachunterricht und Begleitung bei Behördengängen, über medizinische und sonstige persönliche Dienstleistungen, die Ausstattung mit Kommunikations- und Verkehrsmitteln, bis hin zur kostenlosen Betreuung und Unterbringung von Asylbewerbern im eigenen Haus. Vorreiter waren Aktive der Pfarrgemeinde St.Martinus in Greven Kernstadt sowie – etwas später – Mitglieder der evangelischen Gemeinde in Reckenfeld und des dortigen Bürgervereins.
Aber je mehr Zuwanderer nach Greven kamen, umso mehr wuchs selbstverständlich auch der Bedarf an Helferstunden. Und, anstatt nach angemessenen Kooperations- und Kommunikationsformen zu fragen, haben einige der besonders aktiven freiwilligen Helfer dem steigenden Bedarf damit Rechnung getragen, dass sie selbst immer mehr Zeit investiert haben, die sich aber bekanntlich nicht unbegrenzt vermehren lässt. Das hat einige Ehrenamtliche einerseits bisweilen an die Grenze der Belastungsfähigkeit geführt, andererseits aber zu deutlich sichtbaren Organisationsproblemen beigetragen, die nicht wenige potentiellen Helfer abgeschreckt haben, sich für die Flüchtlingshilfe zu engagieren. Dazu beigetragen hat auch die in kleinen Familienbetrieben zu beobachtende Tendenz, alles selbst machen zu wollen und neuen Ideen gegenüber skeptisch zu sein (vgl. hier).
Diffuses Bild
Auf den ersten Blick präsentiert sich die Flüchtlingshilfe in Greven für die Öffentlichkeit als weit umspannendes Netz vielfältiger, geplanter Aktivitäten. So nimmt die Lokalzeitung dankbar die Pressemitteilungen entgegen und berichtet häufig über Aktionen und Aktiönchen der Flüchtlingshilfe. Zuletzt etwa mehrfach über das sogenannte Kunstprojekt „Greven bekennt Farbe„, das allen Grevenern die eigene Willkommenskultur vor Augen führen soll – dessen Wert für die Flüchtlinge aber eher fraglich ist, weil sie die Botschaft nur in einer Kirche bzw. im Rathaus zu Gesicht bekamen bzw. bekommen. Öffentlichkeitswirksam und möglichst mit überdimensionalem Scheck werden auch gerne die großherzigen Spenden zugunsten der Flüchtlingshilfe in der Lokalpresse präsentiert. Und die Spitzen der Stadt und führende Kommunalpolitiker sind auch gerne dabei, wenn sich im Dunstkreis der Flüchtlingshilfe ein Schaufenster für Pressefotos öffnet.
„Die“ Flüchtlingshilfe Greven?
Auf den zweiten Blick ist es aber ziemlich unklar, wer denn überhaupt „die“ Flüchtlingshilfe Greven ist, wer sie koordiniert und wer dafür sprechen kann, wer die Spendengelder verwaltet, was damit geschieht und ob sie effektiv eingesetzt werden, ob die Nachweise von vielen Arbeitsstunden und Überstunden zugunsten der Flüchtlinge bei der Stadt Greven nicht zum üblichen Reiz-Reaktionsmuster der öffentlich Bediensteten gehört, ob die Mehrheit der Lokalpolitiker wirklich ein überdurchschnittliches Maß an Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge und weiser Voraussicht für das langfristige Zusammenleben in Greven an den Tag legen, ob die im weitesten Sinne caritativ arbeitenden Organisationen erkennen lassen, dass ihnen die Unterstützung von Zwangsmigranten mehr bedeutet, als man das aufgrund ihrer staatlichen Finanzzuweisungen ohnehin erwarten kann, ob die beiden christlichen Amtskirchen und die muslimische Gemeinde im praktischen Umgang mit Flüchtlingen jenes Maß an Nächstenliebe und Barmherzigkeit an den Tag legen, das sie gerne zum Inhalt ihrer Predigten machen.
„Der“ Grevener Bürger?
Welche Einstellungen und Meinungen schließlich die Gesamtheit der Grevener Bürger hat, lässt sich nur schwer beurteilen – dazu müsste man eine repräsentative Befragung vornehmen. Wenn man mit aller Vorsicht einmal die Anzahl der Leserbriefe als Hinweis darauf nimmt, welche Themen die Grevener Bürger bewegen, dann reibt man sich im Hinblick auf die Flüchtlingsfrage etwas verdutzt die Augen. Denn die Unterbringung und Betreuung von Migranten kommt so gut wie überhaupt nicht vor. Zur Einflussnahme der Stadt Greven auf das Sortiment des örtlichen Hagebaumarktes haben sich vermutlich mehr als zehn Mal so viele Leser öffentlich geäußert wie zum Thema „Flüchtlinge“. Der folgenschwere Rats-Beschluss zur Abschiebung von Flüchtlingen ins Gewerbegebiet Mergenthaler Straße zog gerade einmal einen einzigen Leserbrief nach sich – gemessen an der Bedeutung des Themas für das langfristige Zusammenleben und die Lebensqualität in der Stadt Greven eine erschreckend geringe Resonanz.
Zugunsten des örtlichen Hagebaumarktes hat sich auch eine Bürgerinitiative gegründet und in kurzer Zeit erstaunlich viele Unterschriften gesammelt. Zum Umgang mit den Asylbewerbern vor Ort hat man dergleichen nichts aber auch garnichts gehört. Auch die Zahl der Anregungen einzelner Bürger für den Stadtrat, sich mit bestimmten Aspekten der Flüchtlingshilfe zu befassen, ist verschwindend gering; sie wird von Anträgen zur Einrichtung von Kreisverkehren oder Tempo-30-Zonen deutlich übertroffen. Und von der Stichhaltigkeit einzelner Anregungen ganz zu schweigen. So wurde zur letzten Stadtratssitzung von einem Bürger angeregt, Sicherheitspersonal auf Grevens Straßen einzusetzen, weil „ein nicht mehr hinnehmbares Maß an Verunsicherung der Bevölkerung durch einen bestimmten Personenkreis“ erreicht sei und dessen Kulturkreis zwar bekannt, jedoch mit Rücksicht auf die Flüchtlingspolitik nicht öffentlich gemacht werden dürfe.
Wie kann es zu einer dermaßen schiefen Wahrnehmung der Grevener Realität kommen und welche Konsequenzen müssen Stadtverwaltung, Kommunalpolitiker und andere Meinungs-Multiplikatoren daraus ziehen? Ist dieser Bürgerantrag nicht schon die logische Schlussfolgerung aus der räumlichen Ausgrenzung von Flüchtlingen in Außenbezirke?
Die Unstruktur der Flüchtlingshilfe Greven
Betrachtet man die Organisation der Flüchtlingshilfe Greven etwas genauer, dann bietet sich dafür jene Grafik an, mit der die Stadt Greven die Struktur der Grevener Flüchtlingshilfe auf der „Bürgerversammlung“ vom 20.10.2015 erläutert hat und seit dieser Zeit im Internet präsentiert. Diese Grafik macht auf den ersten Blick deutlich, dass auf diese Weise eine effektive Flüchtlingshilfe kaum zu managen ist. Denn das Gebäude ist schieflastig und wenig tragfähig! Das Dach (die „Steuerungsgruppe“) hängt zur Hälfte in der Luft und kippt bei der geringsten Windbewegung um. Keiner derjenigen, die unter dem Dach versammelt sind, darf sich bewegen. Auch dann fällt das Gebäude wie ein Kartenhaus zusammen.
(Quelle: www.greven.net/medien/bindata/bildung/soziales/Praesentation_Fluechtlinge_fuer_Internet.pdf, S. 14)
Es gibt eine katholische und eine evangelische Flüchtlingshilfe in Greven – was soll dieser Anachronismus? In anderen Kommunen hat man sich längst auf Ökumene besonnen. Für die katholische Flüchtlingshilfe sind nur ehrenamtliche Helfer aktiv, während (laut Grafik) auf der evangelischen Seite auch hauptamtliche Mitarbeiter tätig sind. Ein Versehen des Grafikers? Es gibt ein katholisches und ein evangelisches Spendenkonto für die Flüchtlingshilfe – trauen sich die Kirchen nicht über den Weg? Daneben gibt es noch das Spendenkonto des Reckenfelder Bürgervereins. Was spricht dagegen, diese Spendenkonten zusammenzulegen – zumindest die beiden kirchlichen? Will hier jeder unbedingt sein eigenes Süppchen kochen und nicht öffentlich machen müssen, wofür die Spendengelder ausgegeben werden? Und: Was bedeutet es eigentlich, wenn beispielsweise ein Konzert zugunsten der Flüchtlingshilfe veranstaltet wird oder eine Sammlung der Flüchtlingshilfe Greven zugute kommen soll?
Wo ist der Kopf?
Eine effektive Organisation setzt zweifellos voraus, dass die Flüchtlingshilfe Greven tatsächlich – wie jeder eingetragene Verein – einen gemeinsamen Kopf oder einen Vorstand hat, der handeln kann und dafür Rechenschaft ablegen muss. Etwas Ähnliches gibt es in Greven nicht. Vielmehr gibt es viele Gruppen und Grüppchen, die bei der Bürgerversammlung am 20.10.2015 kaum auf die Bühne des Ballenlagers passten, die aber keine handlungsfähige, legitimierte Vertretung besitzen. Und die wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass sich die Aktiven der katholischen Flüchtlingshilfe in der Öffentlichkeit nicht selten als die „Flüchtlingshilfe Greven“ bezeichnen, damit einen Alleinvertretungsanspruch begründen wollen und die Ehrenamtlichen der evangelischen Gemeinde und des Reckenfelder Bürgervereins schlichtweg ausblenden (vgl. etwa hier). ***
Eine effektive Organisation setzt aber ebenfalls voraus, dass es ein gemeinsames Konzept für die Flüchtlingshilfe Greven gäbe – auch danach sucht man bisher vergebens. Ebenso nach einer gemeinsamen Schaltzentrale, die für ganz simple Dinge zuständig ist: Adressenverwaltung, ein Plan für Zuständigkeiten, eine Bündelung der Angebote für Flüchtlinge, eine aktuelle Nachrichtenbörse für Anbieter und Nachfrager, jemand, der Anfragen sofort an den richtigen Ansprechpartner weitergeben kann usw. Im Gegensatz zu Reckenfeld gibt es aber in Greven-Kernstadt bisher nicht einmal einen Flyer, auf dem die Angebote, Termine und die jeweiligen Ansprechpartner verzeichnet sind. Von der Nutzung der hier vorliegenden Webseite als Medium ganz zu schweigen – auch das kollidiert offensichtlich nach wie vor mit dem Alleinvertretungsanspruch der katholischen Flüchtlingshilfe.
Die „Steuerungsgruppe“ steuert nicht.
Um es noch einmal zu betonen, haben die aktiven Helfer der beiden christlichen Kirchen und des Reckenfelder Bürgervereins ein zum Teil hohes Engagement zu Lasten ihrer Freizeit an den Tag gelegt. Dafür haben sie große Anerkennung verdient. Aber sie haben es bisher kaum geschafft, sich zu einer einheitlichen, effektiv arbeitenden Organisation zu formieren. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass manche Gruppierungen auch lieber ihr „eigenes Süppchen“ kochen, dessen Zutaten sie selbst bestimmen können. Denn Transparenz ist nicht jedermanns Sache.
Zweifellos wäre für eine effektivere Organisation auch hauptamtliches Personal erforderlich, das der Reckenfelder Bürgerverein verständlicherweise nicht hat und das den katholischen und evangelischen Helfern von ihren Kirchen bisher nicht zur Verfügung gestellt worden ist. Und um diesem Mangel abzuhelfen, haben sie sich (mit anderen Gruppen) zur sogenannten Steuerungsgruppe zusammengeschlossen, in der die Stadt Greven die Federführung hat. Die Stadt Greven stellt dafür eine (verdiente) Mitarbeiterin ab, die aber erstens keineswegs nur für die Flüchtlingshilfe zuständig ist und deren Stelle zweitens auf der „Streichliste“ der Stadt Greven steht. Wenn man dann noch weiß, dass sich die „Steuerungsgruppe“ nur alle 2 bis 3 Monate trifft, ist klar, dass unter diesen Rahmenbedingungen eine halbwegs effektiv arbeitende Flüchtlingshilfe kaum zu organisieren ist. Und man liegt sicher nicht fehl in der Annahme, dass die Stadt Greven daran auch nicht unbedingt interessiert ist, weil sie ansonsten aufgrund mancher Entscheidungen mit viel Gegenwind hätte rechnen müssen. So konnten sich der Bürgermeister und die ihn unterstützenden Parteien (CDU,SPD,FDP) sicherlich bequem zurücklehnen, als sie als Reaktion auf die beschlossene Abschiebung von Flüchtlingen ins Gewerbegebiet nur ein laues Lüftchen an halbherziger Kritik aus den Reihen der Flüchtlingshilfe zu hören bekamen. wo die Gründung einer Bürgerinitiative die angemessene Antwort gewesen wäre.
Die Stadt Greven integriert nicht.
Die Stadt Greven jedenfalls, die bisher schon die Unterschreitung von Mindeststandards für die Unterbringung von Asylbewerbern zu vertreten hat, die qualifiziertes Personal für die Betreuung und Integration von Migranten lange Zeit nicht für nötig gehalten hat, ist zusammen mit der Kommunalpolitik aufgerufen, ihre langfristig ausgerichtete politische Prioritätenliste zu überdenken.
(Fortsetzung folgt!)
*** Auch die ganz aktuelle Einladung zu einer Vortragsveranstaltung im Ballenlager am 27.04.2016 macht deutlich, dass die Hauptakteure sich selbst nicht darüber im Klaren sind, wer denn nun für die „Flüchtlingshilfe Greven“ sprechen kann. Laut offiziellem Einladungsschreiben, dem offiziellen Plakat und dem entsprechenden Zeitungsartikel in der Lokalpresse (GZ und WN) vom 15.04.2016 werden nämlich als Einladende u.a. genannt: Die Flüchtlingshilfe Ev. Gemeinde Reckenfeld, ReBüVe – Reckenfelder Bürgerverein und die Flüchtlingshilfe Greven. Fragt sich nur, wer die Flüchtlingshilfe Greven ist, wenn ReBüVe und die Flüchtlingshilfe der evangelischen Gemeinde Reckenfeld ja offensichtlich nicht dazu gehören.